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<references />KOTANKO Florian, Ungedruckte Hausarbeit für das Lehramt aus Geschichte, vorgelegt an der Universität Innsbruck 1974, S. 74f.<br />
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<references /KOTANKO Florian, Ungedruckte Hausarbeit für das Lehramt aus Geschichte, vorgelegt an der Universität Innsbruck 1974, S. 74f.><br />
 
[2] Gemeindeausschuss Braunau, Protokoll der Sitzung am  30.1.1920, Stadtarchiv Braunau<br />
 
[2] Gemeindeausschuss Braunau, Protokoll der Sitzung am  30.1.1920, Stadtarchiv Braunau<br />
 
[3] Neue Warte am Inn vom 28. 2. 1920, Seite 3 http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwi&datum=19200228&seite=3&zoom=33und Seite 4 http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwi&datum=19200228&seite=4&zoom=33<br />
 
[3] Neue Warte am Inn vom 28. 2. 1920, Seite 3 http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwi&datum=19200228&seite=3&zoom=33und Seite 4 http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwi&datum=19200228&seite=4&zoom=33<br />

Version vom 19. Oktober 2013, 11:29 Uhr

Braunau History

braunau-history.at ist eine offene Plattform, die wissenschaftlich fundiert die historischen, wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Folgen für die Stadt Braunau als Geburtsort von Adolf Hitler zwischen 1938 und 1945 aufarbeitet. Zugleich soll diese Plattform beitragen, bislang unbekannte Dokumente zu dieser Thematik bereitstellen zu können.

braunau-history.at wird gefördert vom Nationalfonds der Republik Österreich, dem Land Oberösterreich, Kulturdirektion und der Stadtgemeinde Braunau.

Die Projektbetreiber - der Stadtverein Braunau und der Verein für Zeitgeschichte, Braunau - weisen dabei ausdrücklich darauf hin, dass auf dieser Plattform keine parteipolitische Diskussionen ermöglicht werden.

braunau-history wird wissenschaftlich betreut von Mag. Florian Schwanninger, Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim, Mag. Florian Kotanko, Braunau, Mag. Arch. Ingo Engel.

Geschichte als Verantwortung

"Niemand kann heute die Geschichte des 20. Jahrhunderts darstellen wie die eines anderen Zeitalters; und sei es nur deshalb, weil kein Mensch die Ära seiner eigenen Lebenszeit so beschreiben kann (und darf), als sei sie Bestandteil einer Periode, die er nur als Außenstehender kennt, aus zweiter oder dritter Hand aus zeitgenössischen Quellen oder den Werken nachgeborener Historiker."

Mit diesen Worten charakterisierte der Historiker Eric Hobsbawm 1994 eine Schwierigkeit der Beschäftigung mit "Zeitgeschichte". Die Möglichkeit der Diskussion mit "Zeitzeugen" vermag den Blick zu öffnen, subjektive Meinung ist aber stets an objektiver Quellenlage zu überprüfen.

Die Verknüpfung Braunaus mit Zeitgeschichte wird vor allem darin gesehen, dass in dieser Stadt Adolf Hitler geboren wurde. Das Faktum ist in allen Lexika festgeschrieben, mannigfache Schlüsse werden aus der Tatsache gezogen. Es ist den Projektbetreibern von braunau-history ein großes Anliegen, Fakten zu bieten, um Vorurteile zu verhindern.

Wenngleich Adolf Hitler nur als Kleinkind in Braunau lebte, sieht es die Stadt als Verpflichtung an, positive Zeichen zu setzten und dem Klischee, Braunau sei eine "braune Stadt" zumindest gewesen, entgegen zu treten.

Braunau - braune Stadt?

Von Mag. Florian Kotanko (*): Vorbemerkung

Eine weit verbreitete und für Braunau bis heute äußerst negative Assoziation verbindet den Namen der Stadt mit brauner = nationalsozialistischer Vergangenheit. Es soll daher untersucht werden, ob diese Assoziation auf belegbaren Fakten beruht, ob also Braunau als "Geburtsort des Führers" tatsächlich eine besondere "braune" Geschichte hat.

Wichtig erscheint der Hinweis, dass Größe und Struktur der Stadt Braunau in der Zwischenkriegszeit wesentlich anders waren als heute. Die Fläche der Stadt betrug nur etwa 2,9 km², die Einwohnerzahl nahm von 4723 im Jahre 1923 auf 5011 im Jahre 1934 zu.[1] Das Stadtgebiet von Braunau war seit dem 15. Jahrhundert praktisch unverändert und umfasste bis 1919 eine Fläche von etwa 1,09 km².

Gleich zu Beginn des Jahres 1920 hatte sich der Gemeindeausschuss mit einem schwierigen Problem zu befassen: die Gründe des ehemaligen k.k. Flüchtlingslagers, die ja in den Besitz der Gemeinde Braunau übergegangen waren, lagen außerhalb der Stadtgrenze auf dem Gebiet der selbständi­gen Gemeinde Ranshofen. Man kam nun auf den Gedanken, die betreffenden Bereiche - es handelte sich um das heutige Laab und Höft - nach Braunau einzugemeinden. In einer gemeinsamen Sitzung der Gemeindeausschüsse von Ranshofen und Braunau wurde festgelegt, im Laufe des Monats Februar in den zur Eingemeindung vorgesehenen Gebieten eine Volksabstimmung abzuhalten[2]. Diese Ab­stimmung fand am 22. Februar 1920 statt und brachte eine klare Mehrheit für die Eingemein­dung[3]. Es trat also Ranshofen mit 1. Jänner 1921[4] eine Fläche von 218 ha33 a 47 m² von seinem Gemeindegebiet[5] ab. Dieser bedeutende Flächenzuwachs sicherte die Ausdehnung von Braunau bis in die Zeit der deutschen Besetzung; erst mit Wirkung vom 15. Oktober1938[6] wurde die gesamte Gemeinde Ranshofen zu Braunau ge­schlagen.

Historische Forschungen stoßen in Braunau deshalb auf ziemliche Schwierigkeiten, weil die Stadt bis heute kein Stadtarchiv eingerichtet hat, das modernen Ansprüchen genügen würde. 1974 aber gestattete der damalige Bürgermeister Hermann Fuchs dem Autor, in den Kellergewölben des Rathauses aufbewahrte Akten zu nutzen.

Braunau - Braune Au

Die älteste urkundliche Erwähnung einer Siedlung auf dem Gebiet des heutigen Braunau findet sich in einer Schenkungsurkunde des bayrischen Herzogs Heinrich IX. aus dem Jahre 1125[7]. In dieser Urkunde wird erwähnt, dass neben anderen Gütern auch das "praedium Brunove" den "an der Pankrazkirche nach der Regel des hl. Augustinus Christus dienenden Brüdern"[8] geschenkt werde. Andere belegte Namensformen sind Brunovve,Brunaugia, Pronowe, Prunowe, Prunov, Prunou, Prounaw, Prunauwe u.a. Wenngleich die Erklärung der Herkunft des Namens "Braunau" unterschiedlich war,so wird in der letzten Untersuchung eindeutig festgehalten: "Die Erklärung des Namens "Braunau" ist "einfach und absolut sicher. Er kann nach den Gesetzen der Sprachentwicklung nur 'braune Au' bedeuten, keineswegs aber 'Brunnenau' oder 'brave Au!" Die Bezeichnung "braune Au" sei als Flurname für die Gegend zwischen Enknach und Mattigmündung anzusehen.[9]

Der Name Braunau ist also mit "braun" zu verbinden. Wie kam es allerdings zur Verbindung NSDAP-braun?

Politische Symbole hatten stets die Funktion, die eigene Gruppe gegen andere abzugrenzen und so besonders hervorzuheben. Der moderne Begriff von corporate identity ist durchaus auch darauf zu beziehen. Wesentliche Mittel dazu sind etwa Hymnen, Fahnen und Uniformen.

Die Farbe Braun ist dabei schon in den Anfangsjahren der NSDAP nachweisbar, wenngleich es auch andere Farben gab, zu welchen Nationalsozialisten eine besondere Beziehung (zu haben) hatten. So heißt es im Polizeibericht über eine Parteiveranstaltung am 20. September 1920[10]: "Kessler erklärt kurz die nationalsozialistische Flagge: Das Rot bedeutet, daß wir Sozialisten, aber wahre und keine Phrasendrescher, sind, das heißt [das Weiß?], daß wir national sein wollen, und das schwarze Hakenkreuz, daß wir strenge Antisemiten sind. Unter dieser schwarzweißroten, der alten Flagge (lebhafter Beifall) wollen wir weiterkämpfen und schließlich auch siegen (lebhafter Beifall)." Ähnliches schreibt Hitler selbst in"Mein Kampf".[11] Für die SA ist zwar von "jedermann kenntlicher Kleidung"[12] die Rede, aber anfänglich noch nicht allgemein von den später charakteristischen"Braunhemden", wenn es in einer Darstellung des Hitlerputsches vom November 1923 heißt: "Unterdessen zogen die alarmierten SA-Männer ihre Uniform an - feldgraue Windjacken[13] mit einer Hakenkreuzbinde, feldgraue Skimützen und Pistolengürtel."[14] Derselbe Autor berichtet erst in der Beschreibung der Situation Ende 1926: "Die offizielle Uniform der SA war das Braunhemd mit braunem Binder. Die Wahl dieser Farbe war Zufall; eine große Lieferung von Hemden, die ursprünglich für die deutschen Kolonialtruppen in Ostafrika bestimmt waren, konnten zu günstigen Großhandelspreisen erworben werden." [15] Auch Heinz Höhne[16] stellt über die SA-Uniform fest: "Daß die SA-Männer Braunhemden trugen, war nur ein Zufall; einem SA-Führer war ein größerer Posten von Braunhemden, ursprünglich für die Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika bestimmt, angeboten worden, und so war das Braun in die Partei gekommen." Über die näheren Umstände führt G. Rossbach in seinem Erinnerungsbuch aus: "Im Jahre 1921 hatte ich mit einigen Leuten der Arbeitsgemeinschaft Rossbach eine Radfahrt nach Ostpreußen unternommen. Um für diese Fahrt einheitlich ausgerüstet zu sein, wurde ein Restposten ostafrikanischer Lettowhemden, wie sie zuletzt die Offiziere der Schutztruppe getragen hatten, käuflich erworben und an die Radfahrer verteilt. Diese Hemden waren beige-braun, also viel heller als die späteren Hitler-Hemden und mit weißen Perlmuttknöpfen besetzt. Später habe ich diese Hemden als Gemeinschaftskleidung in meiner Organisation [...] eingeführt. Durch Edmund Heines wurden sie dann für die SA übernommen und auch vertrieben. Ihre Farbe wurde von Monat zu Monat dunkler."[17] Eine ähnliche Entwicklung der Uniformierung der SA von Windjacken und grauen Skimützen (für 1922) zu den "Lettow-Hemden" (Mai 1924) und schließlich zu den "Braunhemden" (1926) beschreibt Peter Longerich.[18] In einer weiteren aktuellen Behandlung des Themas[19] werden die oben gemachten Aussagen bestätigt und ergänzt: Teile der SA trugen erstmals 1921 inAnlehnung an das "Lettowhemd" der deutschen Schutztruppe in Ostafrikaeine braune Uniform, die seit 1924/25 öffentlich zu Propagandazwecken getragen wurde und 1926 den Rang einer Parteiuniform erhielt, die jeder Parteigenosse nach zweijähriger Zugehörigkeit zur Partei[20] tragen durfte.

In einer Meldung des Bezirksamtes Vilsbiburg an das Bayerische Staatsministerium des Innern über eine Kundgebung am 6. März 1926 in Vilsbiburg, auf der Hitler zum erstenmal nach zwei Jahren wieder sprach, wird die Farbe der Uniform der SA als "braungelb"bezeichnet: "Bereits am Vormittage trafen aus verschiedenen Orten der Umgebung, Landshut, Freising usw., die SA-Truppen ein, welche in ihren bekannten Uniformen (braungelbe Jacke) unter Vorantragung ihrer Standarten und Fahnen mit Hakenkreuzabzeichen in militärischer Ordnung singend einzogen und dann sich auflösten."[21] In einem Bericht der Polizeidirektion München über die NSDAP-Versammlung am 9. März 1927 im Zirkus Krone ist erstmals von "Braunhemden" die Rede: "Die Bühne ist für hervorragende Parteimitglieder und den Redner reserviert. Auch die Logenplätze scheinen, da sie von Braunhemden verteilt werden, für besondere Parteileute vorgesehen zu sein." [...] "Im Zirkus selbst befinden sich etwa 200 Braunhemden" [...] Da brausen vom Eingang her Heilrufe, Braunhemden marschieren herein, die Musik spielt, der Zirkus spendet lärmendenJ ubel, Hitler erscheint im braunen Regenmantel, geht rasch in Begleitung seine rGetreuen durch den ganzen Zirkus bis hinauf zur Bühne." [...] Unter der tosenden Begrüßung der Zuschauer marschieren nun Braunhemden in Reih und Glied herein, voran zwei Reihen Trommler, dann die Fahne."[22] Zwei Jahre später ist von "braunen Kämpfern" die Rede, wenn es in Hitlers eigenem, im "Illustrierten Beobachter" erschienenen Bericht über den 4. Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg (1.-4. August 1929) heißt: "Über und über mit Blumen überschüttet, ziehen die braunen Kämpfer des Dritten Reiches dreieinhalb Stunden in schnellem Schritt vorbei."[23]

Am 5. Juni 1930 wurde ein Uniformverbot in Bayern verhängt, am 11. Juni 1930 das Verbot der Braunhemden in Preußen ausgesprochen - "Die SA trägt daraufhin weiße Hemden."[24] Nach dem großen Wahlsieg der NSDAP wenige Wochen später (14. September 1930) kommt es bei der Reichstagseröffnung am 13. Oktober 1930 zu einer Demonstration: "Die 107 nationalsozialistischen Abgeordneten ziehen im Braunhemd ein"[25] Nach Hitlers Machtantritt (31. 1. 1933) konnte eine "Beleidigung" des"Braunhemdes", das als "Ehrenkleid" galt, verfolgt werden.[26]

Auch in Österreich war das "Braunhemd"schon in den Anfangsjahren der NSDAP als Parteiuniform gebräuchlich; nach de rParteispaltung 1925/26 in eine "Hitler-Bewegung" und die Gruppe um Karl Schulz vertauschten die nationalsozialistischen Anhänger von Schulz die braunen Hemden mit grauen.[27]

Neben dem "Braunhemd" gibt es eine Reihe von anderen "braunen" Symbolen, von denen aber das "Braune Haus" das bekannteste sein dürfte: Am 26. Mai 1930 kauft die NSDAP mit Hilfeeiner Industriespende (der Herren Thyssen und Flick) und einer außerordentlichen Parteispende das ehemalige Barlow-Palais in München, Brienner Straße 45, als künftigen Sitz der Reichsparteileitung.[28] Nach gründlichem Umbau wurde es am 1. Januar 1931 bezogen.[29] Im Volksmund schnellals "Braunes Haus" bezeichnet, wurde die Bezeichnung bald von der Partei offiziell übernommen; das Braune Haus war wesentliches Element des Parteizentrumsder NSDAP um den Münchner Königsplatz. Im Verlauf des Krieges von Bomben schwer beschädigt, wurde die Ruine des Braunen Hauses nach Kriegsende abgetragen.[30] Ein ursprünglich zum "Braunen Haus" gehören der Kanzleibau ist allerdings erhalten und wird von staatlichen Museumseinrichtungen genutzt.[31]

"Braune Häuser" gab es auch in Oberösterreich, so in Linz (Ecke Volksgartenstraße - Weingartshofstraße)[32] und Wels (am Wilhelmring).[33]

Braun wurde also zur Benennung von Institutionen und Organisationen, von Menschen und Gegenständen verwendet und durch das Braunhemd – als vermutlich auffallendstem Bestandteil der politischen Uniform der NSDAP – zur Symbolfarbe für den Nationalsozialismus, vergleichbar dem Rot für den Sozialismus und Kommunismus oder dem Schwarz für den italienischen Faschismus,geworden.

Braunau - Hitlers Geburtsstadt

Im Taufbuch XIX der Pfarre Braunau am Inn, umfassend den Zeitraum 30. 6. 1881 bis 31. 12 1891, ist auf Seite 152, "Nr. currens 49" des Jahres 1889, die Geburt von Adolf Hitler am 20. April 1889 "um 6 ½Abds." dokumentiert[34]. Als achte Geburt des Jahres 1889 vermeldet der Vierteljahresbericht des Pfarramtes an den Stadtmagistrat Braunau[35] zum Datum 20. April die Geburt von Adolf, Sohn von Alois und Klara Hittler (sic!), Vorstadt Nr. 219[36].

Braunau war ein Zufallsgeburtsort, der genauso ein kleiner Grenzort in Galizien oder im dalmatinischen Küstenland hätte sein können[37], wohin eben der Dienst einen k.k. Zollamts-Offizial wie Alois Hitler verschlug. 1892[38] - das genaue Datum ist nicht eruiert - verließ die Familie wegen der Versetzung von Alois Hitler Braunau und übersiedelte nach Passau. Ob und wie Braunau als Stadt das Kleinkind Adolf Hitler beeindruckte, kann Gegenstand von Spekulationen sein, aber Hitler selbst schrieb: "Nur wenig haftet aus dieser Zeit noch in meiner Erinnerung, denn schon nach wenigen Jahren mußte der Vater das liebgewordene Grenzstädtchen verlassen, um innabwärts zu gehen..."[39] Sicher ist, dass Braunau erst später Bedeutung bekommt, als Hitler seinen Geburtsort "an der Grenze jener zwei deutschen Staaten, deren Wiedervereinigung mindestens uns Jüngeren als eine mit allen Mitteln durchzuführende Lebensaufgabe erscheint" als "glückliche Bestimmung" interpretiert.[40] Viel eher hat wohl das tägliche Familienleben mit seinen offenbar wenig erquicklichen Umständen, wie Hitler es als Kind erlebte, Auswirkungen ins einer späteren Biographie gezeitigt.[41]

Slapnicka berichtet[42], dass die Geheime Staatspolizei die Unterlagen bezüglich der Ehe von Alois Hitler mit Klara Pölzl dem Braunauer Stadtpfarrer Johann Ludwig brutal weggenommen, schließlich aber zurückgestellt habe. Sicher ist, dass Ludwig, damals Dechant und Stadtpfarrer von Braunau, im September 1952 maschinschriftliche Zweitschriften von Akten der Familie Hitler anfertigte und unterschrieb.[43]

Das Geburtshaus war ein Gasthaus, auch "Zum Hirschen" genannt, mit der darauf haftenden realen Bierbräugerechtsame nebst Schank- und Gastungsrecht, dann Stadel, Stallungen und Sudhaus und gehörte seit 1888 den Eheleuten Franz und Helene Dafner; nach dem Tode des Ehemannes 1891 war Helene Dafner Alleinbesitzerin. Noch im selben Jahr heiratete sie Jakob Bachleitner.[44] Der nächste Besitzer (seit 1912) war Josef Pommer, in dessen Familie das Haus - wenn man von der "Übernahme" durch Martin Bormann für die NSDAP 1938 - 1945 nach dem "Anschluss" und der schwierigen Rückstellung absieht - weitervererbt wurde.[45]

Dass Hitlers Heimat hymnisch bejubelt wurde, sollen zwei Textbeispiele belegen: In einem vom Gauamt für Kommunalpolitik GauOberdonau herausgegebenen Buch, das Hitlers Heimatland Oberdonau dem ganzendeutschen Volke schildern sollte, heißt es: "Eine wahrhaft weltgeschichtliche Stunde für Heimat und Welt schlug, als Adolf Hitler auf unserem Boden ins Leben trat. Wie die Erde auf ihrer Wanderung durch Räume und Zeiten immer neue kosmische Kräfte gebiert, so ordnen sich Menschen und Dinge, nicht nur der Gegenwart, sondern auch der Vorzeit, zu neuen Sichten, Ketten und Strömen, wennn ein wahrhaft Großer unter sie tritt. Das Schicksal hat den Acker unseres Landes gewählt und aus ihm das Kraftkorn der neuen Zeit gezogen. Das uralte Leben der Heimat, schon immer auf Großes und Ewiges angelegt, war sein Nährboden; das schöpferische Land erfüllt sich im Geschöpf."[46]

Eine Poetin namens Alice Försterling fühlte sich in einem schon 1933 erschienenen Gedichtband dazu berufen, Braunau gar in einem Gedicht zu verewigen: [47]

Braunau

In Braunau, da ist er geboren,

Da trat er ins Leben ein,

Er, der für die Heimat erkoren,

Der unser Befreier sollt' sein.

Drum zieht es voll Sehnsucht mich hin

Nach Braunau, nach Braunau am Inn.


Du Braunau, Gott hat Dich erlesen,

Durch Dich wurde er uns geschenkt,

Hier wurde reindeutsches Wesen

in jungfrisches Herze gesenkt;

Drum Deutscher, lenk stets deinen Sinn

Nach Braunau, nach Braunau am Inn.


Slapnicka behauptet in seinem Buch "Hitler und Oberösterreich"[48], dass für Braunau mit Ausnahme eines "kleinen Theaters" und eines Krankenhauses keine Neubaupläne ins Auge gefasst worden seien, nicht einmal Pläne habe es gegeben. Dass diese Aussage so nicht richtig ist, kann aus einer Reihe von Vorschlägen zur Umgestaltung Braunaus, verfasst vom Burghausener Architekten R. Fröhlich, ersehen werden, die im Archiv der Bauabteilung des Stadtamtes Braunau erhalten geblieben sind. Wieweit allerdings Hitler selbst in die Umgestaltungspläne involviert war, ist noch ungeklärt.[49]

Nationalsozialismus 1918 - 1938 in Braunau

Gerhard Jagschitz und andere Historiker vertreten die Ansicht, dass die 1903 in der nordböhmischen Stadt Aussig gegründete "Deutsche Arbeiterpartei" als direkte Vorläuferin der NSDAP bezeichnet werden kann. Seit Mai 1918 nannte sich diese Gruppierung "Deutsche Nationalsozialistische Partei" DNSAP. Nach dem Ende der Monarchie in Österreich politisch aktiv, spaltete sich die Partei nach internen, von Deutschland aus geschürten Konflikten: Am 4. Mai 1926 wurde ein "Nationalsozialistischer Arbeiterverein" gegründet, der sich durch den Zusatz "Hitler-Bewegung" von den anderen unterschied, sich direkt Hitler unterstellte und von diesem rasch als Zweig der "reichsdeutschen" NSDAP anerkannt wurde. DNSAP und NSDAP "Hitler-Bewegung" bestanden vorerst nebeneinander, doch versank erstere allmählich in Bedeutungslosigkeit, während zweitere - auch in der Zeit der "Illegalität" nach dem Verbot der Partei am 19. Juni 1933 - ihren Einfluss ausbaute.[50]

In Braunau fällt das erste Anzeichen einer Tätigkeit der Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei auf lokaler Ebene in das Jahr 1920. Sie stellte nämlich an den Gemeindeausschuss das Ansuchen, in Wohnungssachen besser informiert zu werden; das Ansuchen wurde zurückgewiesen, da die Partei ohnehin einen Vertreter in die Wohnungsvergabekommission entsenden könne und da­durch eine bessere Information gewährleistet werde.[51]

Zwar berichtet der "Völkische Beobachter" am 4. Oktober 1920 von einem Auftritt Adolf Hitlers und einer Rede in Braunau am Vortag, es ist allerdings in amtlichen österreichischen Unterlagen bisher darüber nichts[52] aufgetaucht.[53]

Im Laufe der ersten Monate des Jahres 1921 muss es im Gemeindeausschuss der Stadt zu einem ernsten Zerwürfnis gekommen sein, dessen Anlass allerdings nicht bekannt ist.[54] Die bürgerli­chen Parteien boykottierten die Sitzung am 25. Juli, die daraufhin wegen Beschlussunfähigkeit vertagt werden musste. In dieser neu angesetzten Tagung gaben die Sozialdemokraten geschlossen ihren Rücktritt bekannt, und gemeinsam wurde der Beschluss gefasst, eine Neuwahl des Gemeindeausschusses anzusetzen; bis dahin sollte die bisherige Gemeindevertretung die Arbeiten weiterführen.[55] Es tauchten allerdings Bedenken auf, ob der Rücktritt von Mitgliedern des Gemeindeausschusses Grund für Neuwahlen sei. Deshalb entschlossen sich die Mandatare aller Parteien, ihre Ämter niederzulegen.Damit war der Grund für Neuwahlen rechtlich gege­ben[56], und die Landesregierung setzte den 6. November 1921 als Wahltermin fest.[57]

Bei dieser Wahl kandidierten die Christlichsozialen, Großdeutschen, Sozialdemokraten und die "Unpolitische Arbeitsgemeinschaft geistiger Arbeiter" mit dem nachmaligen Staatssekretär und Bundesminister Odo Neustädter-Stürmer, der zu dieser Zeit an der Bezirkshauptmannschaft Braunau tätig war. Ursprünglich hatte auch die Deutsche Nationalsozialistische Partei einen Wahlvorschlag eingebracht[58], diesen jedoch am 31. Oktober zurückgezogen und sich zur Un­terstützung der Gruppe um Neustädter-Stürmer entschlossen; der Spitzenkandidat der Natio­nalsozialisten, Herr Kleinlercher, wurde an die dritte Stelle im Wahlvorschlag gereiht.[59] Der Wahltag verlief wie der Wahlkampf in aller Ruhe. Es zeigte sich, dass die Sozialdemokra­ten ihre Position behaupten konnten[60], während Christlichsoziale und Großdeutsche je einen Sitz im Stadtparlamentz ugunsten der Neustädter-Stürmer - Gruppe verloren. Das Verhältnis war nun 11: 5 : 6 : 2. Damit war der Kandidat der Nationalsozialisten auf der Liste Neustädter-Stürmer nicht gewählt worden.[61]

Am 6. April 1924 fanden in ganz Oberösterreich Gemeindewahlen statt, die in Braunau ein überraschendes Ergebnis brachten. Es kandidierten diesmal vier Parteien, die Sozialdemokrati­sche, Großdeutsche, Christlichsoziale und Nationalsozialistische. Die großen Verlierer waren die Sozialdemokraten, die 329 Stimmen und vier Sitze im Gemeindeausschuss verloren[62], somit nur mehr 7 Vertreter entsenden konnten. Die Großdeutschen hatten 134 Stimmen gewonnen und stellten weiterhin 7 Gemeindeauschussmitglieder. Die Nationalsoziali­sten, die erstmals selbständig in der "Geburtsstadt des Führers" kandidierten, bekamen 150 Stimmen und ein Mandat[63]. Die großen Gewinner der Wahl waren die Christlichsozialen, die 449 Stimmen mehr als am 6. November1921 erhielten und mit 9 Mandaten zur stärksten Fraktion im Gemeindeausschuss wurden.[64]


1924 wurde durch Hitler ein Einreiseverbot nach Österreich verhängt, das erst am 29. August 1932 wieder aufgehoben wurde[65]. Unter den 11 oberösterreichischen NSDAP-Ortsgruppen, die gegen dieses Einreiseverbot schriftlich protestierten, ist auch eine Ortsgruppe Braunau/Inn genannt.[66]

1927 kam es in mehreren Orten des Bezirkes Braunau politische Kundgebungen, die ihren Ausgang bei deutsch-nationalen Kreisen nahm. Der Anlass war der 80.Geburtstag des deutschen Reichspräsidenten von Hindenburg, der mit einer Feier am 1. Oktober 1927[67] begangen wurde. Bei diesen Gelegenheiten[68] wurden auch Stimmen, die den "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich forderten, laut.

Am 14. April 1929 fanden die letzten demokratischen Wahlen in den Gemeindeausschuss statt. Diesmal bewarben sich nur drei Gruppen um das Vertrauen der Wähler: neben Christlichsozia­len und Sozialdemokraten die Großdeutschen, die mit Nationalsozialisten und Landbund ein Wahlbündnis eingegangen waren, das sich "Völkische Wahlvereinigung" nannte. Da diesmal die Zahl der Wahlberechtigten[69] mit 3110 die Dreitausendergrenze überschritt, wurden 30 Gemein­deausschussmitglieder gewählt. Durch die gegenüber 1924 größere Wahlbeteiligung konnten alle drei Wahlwerber Stimmengewinne verzeichnen, die stärksten die Christlichsozialen mit 206 Stimmen Zuwachs, was auch einen Sprung von 9 auf 13 Mandate bedeutete; zweitstärkste Fraktion wurde die sozialdemokratische mit 10 Mitgliedern bei einem Stimmengewinn von 184 Stimmen. Die "Völkische Wahlvereinigung" war der Verlierer der Wahl, konnte doch trotz eines Zuwachses von 19 Stimmen die Anzahl der Mandate nicht vermehrt werden, und das trotz der Steigerung der Gesamtzahl der Mandate von 24auf 30. Die Wahlvereinigung erreichte 7 Sitze, die von 5 Großdeutschen sowie je einem Mitglied der Nationalsozialistischen Partei und des Landbundes eingenommen wurden.[70]

Das Ergebnis der letzten demokratischen Wahl in Braunau: Es war dies die Landtagswahl vom 19. April 1931. 3227 Braunauer Bürger waren wahlberechtigt, 2696 gaben gültige Stimmen ab. Davon entfielen auf die Christlichsoziale Partei1190, auf die Sozi­aldemokratische Partei 874, auf die Großdeutsche Partei 449, auf die Nationalsozialistische Partei 116, auf den Heimatblock 67. Es zeigt sich, dass bei dieser letzten geheimen Abstim­mung die Nationalsozialisten keineswegs zahlreich waren. Sie hatten den Stimmenhöchststand mit 171 Stimmen bei der Landtagswahl vom 17. Mai 1925.[71]

Am 1. und 2. Oktober 1932 fand ein großes Grenzlandtreffen von Nationalsozialisten aus Österreich und Bayern in Braunau[72] statt. Es wurde eine Palm-Gedächtnisfeier abgehalten, an der sich 675 uniformierte Nationalsozialisten und drei Musikkapellen beteiligten. Am nächsten Tag bewegte sich ein Festzug mit über 2000 Teilnehmern durch die Hauptstraßen unserer Stadt. Ein gemeinsamer Kirchgang war geplant, doch von Diözesanbischof Gföllner verboten worden, da er die Kirche nicht als Demonstrationsort für politische Gruppen missbrauchen lassen wollte.[73]

Der Gemeindeausschuss hatte nach de "Machtergreifung" der Nationalsozialisten im Deutschen Reich zwei Anregungen betreffend die Ernennung von Adolf Hitler zum Ehrenbürger[74] der Stadt zu behandeln: Am 13. März 1933 war ein Schreiben des Eh­renbürgers Josef Reiter [75] eingegangen, in dem er beantragte, "unsern großen Landsmann, den Kanzler des Deutschen Reiches, Herrn Adolf Hitler, dessen Geburtsstadt Braunau a. Inn ist, zum Ehrenbürger der Stadt Braunau zu ernennen." Der Antrag wurde vorläufig zurückgestellt, da man sich nicht im klaren darüber war, ob ein Ehrenbürger Anträge an denGemeindeausschuss stellen dürfe. In einem Antwortschreiben wurde daraufhingewiesen, dass "nach der gegenwärtigen parteipolitischen Zusammensetzung des Gemeindeausschusses Braunauein einstimmiger Beschluß für die Ernennung des Reichskanzlers Adolf Hitle nach Ansicht des Gemeinderates unmöglich erscheinen würde."[76],[77]

Konnte man einen Ehrenbürgermit dem Hinweis auf rechtliche Probleme noch vertrösten, so war dies bei der großdeutschen Gemeindeausschussfraktion nicht möglich. Diese beantragte am 7. April 1933 unter Zl. 1168/33: "Der Gemeinde-Ausschuß wolle beschließen: Der Kanzler des Deutschen Reiches Herr Adolf Hitler wird zum Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Braunau a.I.ernannt."[78] Dieser Antrag wurde am 18. April 1933 in der Rechtssektion ausführlich disku­tiert, am Ende aber mit 4 : 3 Stimmen[79] abgelehnt und somit nicht dem Plenum des Gemeindeausschusses vorgelegt.[80],[81]

Diese Ablehnung reizte den akad. Maler Aloys Wach, einen weit über die Grenzen Österreichs bekannten Künstler, zu einem Brief an Bürgermeister Leistner, in dem er ausführte: "Mit Beschämung ob der außerordentlichen Unvernunft, die gewaltet hat bei der Abstimmung der Frage, ob man dem Herrn Reichskanzler Adolf Hitler das Ehrenbürger­recht zuerkennen solle oder nicht, nimmt man das Resultat dieser Abstimmung zur Kenntnis. Ich bitte Sie, Herr Bürgermeister, meinen Protest zu dieser Entschließung der Stadtgemeinde entgegen zunehmen!

Hier, in dieser Stadt, ist der Mann geboren, der als Einziger wirklich ge­wagt hat, dem Kommunismus den Kampf anzusagen. Der diesen Kampf auch wirklich durch­geführt hat ohne Kompromiß. Dieser bewundernswerte Mann ist, ganz auf sich allein gestellt, auf sein Genie und seinen Charakter, der Mann geworden, der er ist: Adolf Hitler; der einzige große Mann, der in dieser Stadt das Licht der Welt erblickte. Der einzige in dieser Stadt Gebo­rene, auf den diese Stadt stolz sein könnte - denn sonst ist niemand da, dessentwegen es sich gelohnt hätte, daß diese Stadt überhaupt existiert im Raume der Geschichte und der Zeit!

Er­bittert darüber, daß die Heimatstadt Hitlers eine ganz selbstverständliche Pflicht zu einer Affai­re des Parteienstandpunktes überhaupt gemacht hat, erbittert darüber, daß der Beschluß einer Handvoll Leute entscheiden kann über eine nie wiedergutzumachende Blamage der gesamten Einwohnerschaft der Stadt Braunau am Inn, wollen Sie, Herr Bürgermeister, zur Kenntnis nehmen, daß ich fernerhin es mir nicht zur Ehre anrechnen kann, in dieser Stadt zu wohnen. Ich muß es vorziehen, meinen Wohnsitz aus einer Stadt fortzuverlegen, die nicht wert ist, einen Sohn zu haben wie Adolf Hitler - da sie ihm nicht die selbstverständliche Ehre geben will, die ihm gebührt. Wollen Sie, Herr Bürgermeister, meinen Entschluß der Gemeindevertretung be­kanntgeben."[82]

Der Bürgermeister antwortete mit einem Brief, der an "Herrn Alois Wachl­mayr" gerichtet war - interessanterweise wurde nicht der Künstlername des Adressaten gesetzt - mit folgendem Inhalt: "Auf Ihr Schreiben vom 19.4.1933 beehre ich mich Ihnen mitzuteilen, daß sich die Rechtssektion gegen den Ton Ihrer Protestnote verwahrt und zurück weist."[83]

Die Welle der Gewalt, die im "latenten Bürgerkrieg", wie Botz[84] die Jahre zwischen 1928 und 1933 nennt, ausgeübt wurde, schwappte auch bis Braunau. Aufschluss darüber können die "politischen Strafakten 1932 - 1940" des Bezirksgerichtes Braunau' geben, die in zwei Aktenschachteln im OÖ. Landesarchiv verwahrt werden.[85] Der führende Kopf der Nationalsozialistenin Braunau war Mag. pharm. Fritz Reithofer[86]. 1894 in Mautern bei Krems geboren, trat er 1919 der Ortsgruppe Innsbruck der DNSAP bei, offiziell wurde er am 1. 1. 1930 in die NSDAP aufgenommen. Er war Magister an der Stadtapotheke in Braunau und bis zumJ uliputsch 1934 Bezirksleiter der NSDAP. Nach 1933 liefen unter seiner Verantwortung Schmuggelaktivitäten verschiedener Art (Zeitungen, Flugzettel, auch Sprengstoff). Nach dem "Anschluss" wurde er Kreisleiter der NSDAP in Braunau, von Oktober 1939 bis 18. April 1945[87] Bürgermeister der Stadt[88].

Von Simbach aus war die Gruppe um den im Sommer 1933 geflüchteten Braunauer Gärtnersohn Gustav[89] (August[90]) "Gustl"[91] Kaindl besonders aktiv.[92] Interessant mag in diesem Zusammenhang sein, dass der langjährige Bezirkshauptmann von Braunau, Hans (von)Hammerstein-Equord, in seinen Memoiren zwar ausführlich die Auseinandersetzungen zwischen Nationalsozialisten und Sozialdemokraten in Mattighofen im März 1933 schildert, über nationalsozialistische Aktivitäten in der Stadt Braunau aber kaum ein Wort verliert.[93]

Die politischen Behörden ergriffen verschiedenste Maßnahmen, um der gewaltsamen politischen Auseinandersetzung Einhalt zu gebieten. Für den 1. Mai 1933 war zwar ein allgemeines Aufmarsch verbotvehängt worden, es kam dennoch auch in Braunau zu Ausschreitungen zwischen Anhängern der NSDAP und Sozialdemokraten.[94]

Größere Schwierigkeiten brachte die Auflösung der Nationalsozialistischen Partei mit sich, die am 19. Juni 1933 angeordnet worden war. War es schon früher zu Tätlichkeiten zwischen Na­tionalsozialisten und Anhängern anderer Parteien gekommen, so wurde der Kampf in der Ille­galität noch verschärft. In der Nacht zum 9. Juli 1933 wurden im Stadtgebiet insgesamt 28 Objekte mit nationalsozialistischen Parolen wie "Heil Hitler", "Trotz Verbot nicht tot", "Dollfuß verrecke" und "Österreich erwache" beschmiert. Die Verfolgung der Täter gestaltete sich äußerst schwierig, doch konnte ein Verdächtiger verhaftet werden.[95] In einem vertraulichen Bericht der Abteilung I an das Präsidialbüro des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom 12. Dezember 1933 wird allerdings nicht Braunau, sondern Ried im Innkreis als "bisherige Hochburg der Nazi"[96] bezeichnet.

Ein beliebtes Propagandamittel waren Reden, die mit Lautsprechern vom bayerischen Innufer nach Österreich übertragen wurden.[97] Besonders während eines Grenzlandtreffens von SA und SS am 19. August 1933 in Simbach wurde dieser "Lautsprecherkrieg" mit großem Aufwand betrieben. Auf österreichischer Seite half man sich damit, dass die Stadtkapelle am Innufer Platzkonzerte gab, sodass die Verständlichkeit der Reden in Braunau sehr vermindert wurde.[98]

Im Jahre 1933 kam es sowohl unter den Soldaten der Garnison als auch unter der Zivilbevölke­rung zu eine rFluchtbewegung nach Deutschland, von der vor allem Nationalsozialisten nach dem Verbot ihrer Partei in Österreich erfasst wurden. So desertierten in der Nacht zum 9. Au­gust 1933 fünf Soldaten des in Braunau stationierten II. Bataillons des Alpenjägerregimentes Nr. 8 über die Eisenbahnbrücke, die sie eigentlich hätten bewachen sollen.[99] Die Fluchtbewe­gung flaute erst im Oktober 1933 ab, da in der Zwischenzeit Gerüchte über die harte Ausbil­dung der österreichischen Flüchtlinge zum Dienst in de r"Österreichischen Legion", die im La­ger Lechfeld bei Augsburg erfolgte, über die Grenze gedrungen waren. Auch hatte man den Angehörigen der geflüchteten Zivilisten die zum Grenzübertritt erforderlichen Papiere abge­nommen. Dennoch kam es auch in späterer Zeit noch zu illegalen Grenzüberquerungen, die mitunter schlimme Konsequenzen hatten: so wurde am 24. April 1934 der Nationalsozialist Alois Führer auf dem Rückweg von Deutschland von österreichischer Seite angeschossen und schwer verletzt[100]. Am 15. Mai 1936 barg man aus dem Inn bei Ranshofen den Leichnam eines Nationalsozialisten, der 14 Tage zuvor auf der Flucht nach Deutschland in der Salzach ertrunken war.[101]

Die "Österreichische Legion" spielte im Denken der Leute damals eine große Rolle; Gerüchte über ihren bevorstehenden Einmarsch in Österreich wurden des öfteren laut, auch wurden nächtliche Truppenbewegungen und -übungen am bayrischen Innufer beobachtet, bei denen man österreichische Kommandorufe gehört haben wollte. Um die Bevölkerung zu beruhigen, wurde die Bewachung der Straßenbrücke durch Gendarmerie angeordnet.

Anfang 1934 gelang der Gendarmerie die Verhaftung von mehreren prominenten "Illegalen", die in das Polizeikommissariat Wels eingeliefert wurden, von wo sie nach Wöllersdorf in das "Anhaltelager" gebracht wurden.[102] Am 17. Jänner 1934 fand aus diesem Anlass in Simbach ei­ne Protestkundgebung statt, wobei die Reden wieder mit Lautsprechern nach Österreich über­tragen wurden.[103]

Auch im Februar 1934 - der Bürgerkrieg berührte Braunau nicht - befürchtete oder erhoffte man den Einmarsch der "Österreichischen Legion"[104], musste sich der ehemalige Bezirkshauptmann Hammerstein für einen Aufsatz aus dem Jahre 1927, "der begeistert für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem deutschen Reiche eintritt", rechtfertigen.[105] Von deutscher Seite wurde manches unternommen, um die Bevölkerung in diesen Tagen in Unruhe zu versetzen; so wurden mehrmals Papierböller auf österreichisches Gebiet geschossen, die dann mit lautem Knall explodierten,[106] auch wiederholte nächtliche Ruhestörungen durch Reden, welche mi tLautsprechern nach Braunau verbreitet werden sollten, sorgten für Aufregung in der lokalen Presse.[107], [108]

Gefährlicher als diese Papierböller waren Sprengstoffanschläge, die in der Folgezeit versucht wurden. Das erste derartige Unternehmen, bei dem die Bahnlinie Braunau - Ried bei km 52,8 in der Nähe der Haltestelle Hagenau unterbrochen werden sollte, scheiterte am 1. März 1933, weil die beiden Sprengstoffpakete so unsachgemäß gelegt worden waren, dass die schon bren­nende Zündschnur wieder ausgelöscht wurde. Die Sprengung des Bahnkörpers wurde also nur durch Zufall verhindert. Zwischen Streckenkilometer 25,9 und 26 der Bahnstrecke Braunau – Steindorf wurden am 1. März 1933 zwei Sprengstoffpakete neben den Geleisen gefunden und entschärft.[109] 14 Tage später wurde an der Mattigmündung Sprengstoff und na­tionalsozialistisches Propagandamaterial gefunden, ebenso in Ranshofen.[110] Die Sprengstoffanschläge wurden in der Folgezeit immer zahlreicher. So ex­plodierten am 23. Mai 1934[111] Bomben im städtischen Wasserwerk (Wasserreservoir in Himmellindach) und am Schaltungs- und Transformatorenturm bei der Schwimmschule, am 26. Mai1934[112] im E-Werk in Dietfurt. In bei­den Fällen kam es zwar zu erheblichem Sachschaden, auch wurde die Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen. Personen wurden aber nicht verletzt.[113] Bei Ermittlungen in Osternberg allerdings, die in Zusammenhang mit den Sprengstoffanschlägen standen, erlitt am 22. Juli 1934 der Gendarmeriebeamte Stingeder schwereVerletzungen.[114] Am 29. April 1934 missglück­ten zwei Anschläge auf die Bahnlinien Braunau - Ried[115] und Braunau - Steindorf, weil die Sprengkörper vor der Explosion von spielenden Kindern entdeckt wurden.[116]

Auch Munitionsverstecke konnten von den Sicherheitskräften entdeckt werden, so am 12. Au­gust 1934 in Ranshofen, am 22. August und 15. September 1934 in Oberrothenbuch. In allen drei Fällen wurden Handgranaten, Gewehrmunition und nationalsozialistisches Propagandama­terial gefunden.[117] Es kam zu einer Anzahl Verhaftungen; am 9. Januar 1935 wurde der Säge­werksbesitzer Johann Hackl, der, wie sich beim Verhör herausstellte, Kommandant der SA-Einheit 159 war, festgenommen. Hackl war Befehlshaber der Sturmbanne der Bezirke Braun­au, Ried und Schärding; mit seiner Ausschaltung gelang der Gendarmerie ein Schlag ge­gen die Organisation der SA im Innviertel[118], der sich derart auswirken sollte, dass, wenn man von Tät­lichkeitena bsieht, relative Ruhe in Braunau einkehrte.[119] Zur Bekämpfung des Terrors und auch zur Niederhaltung von eventuellen Unruhen war die Gendarmerie im Laufe der Zeit mit Handgranaten, Stahlhelmen, Maschinenpistolen und Gas­masken ausgestattet worden.[120] Ab 4. Dezember 1935 hatte die Gendarmerie den gesamten Si­cherheitsdienst im Stadtgebiet von Braunau zu versehen, diestädtische Sicherheitswache hatte sich nämlich nicht mehr in der Lage gesehen, ihre Aufgabe alleine zu erfüllen.[121]

Das Jahr 1934 hatte nicht nur Bombenanschläge durch Nationalsozialisten gesehen, es fand auch eine große politische Kundgebung der Gegner der Nationalsozialisten in Braunau statt. Zu dieser "Grenzland-Kund­gebung" wurden Teilnehmer aus Linz und Salzburg in Sonderzügen herangebracht. Die pro­minentesten Gäste waren Vizekanzler Fürst Ernst Rüdiger von Starhemberg, Landeshaupt­mann Dr. Heinrich Gleißner, die Landesräte Wenninger und Revertera, der Sicherheitsdirektor für Oberösterreich und ehemalige Braunauer Bezirkshauptmann Baron Hammerstein, Bezirks­hauptmann Baselli und Regierungskommissär Amtsrat Lachinger. In der Festversammlung am Stadtplatz, an der 8000 Menschen teilnahmen, erklärte Starhemberg, der Inn sei eine Grenze zwischen zwei Arten von Deutschtum, dem unabhängigen, nicht gleichgeschalteten, und jenem, das unter der nationalen Flagge dem Bolschewismus gleichgestellt worden sei.[122] Es ist verständlich, dass diese Rede in Bayern nicht gern gehört wurde, denn man hatte ver­sucht, das Zustandekommen der Kundgebung mit allen Mitteln zu verhindern; Flugblätter, die einen Totenkopf und zwei gekreuzte Knochen zeigten und eine scharfe Warnung vor der Teil­nahme an der Versammlung enthielten, waren an Luftballons nach Österreich geschickt wor­den. Auf den Anfahrtsstraßen wurden Nägel gestreut, um die im Auto anreisenden Teilnehmer aufzuhalten.[123] Nach der Kundgebungkam es zu Schlägereien zwischen Heimatschützern und nationalsozialistisch gesinnten Braunauern, bei denen auch ein Mann aus dem Fenster eines Hauses geworfen wurde.

In das Jahr 1934 fiel auch die Ermordung des Bundeskanzlers Dollfuß im Verlaufe eines ge­scheiterten nationalsozialistischen Putschversuches am 25. Juli. Dazu berichtet die "Neue Warte": "Wer in den Abendstunden einen Rundgang durch Braunau machte, mußte beobach­ten, daß in gewissen Gaststätten, ja auch in Privatwohnungen besonderer Freudenstimmung Ausdruck ge­geben wurde. Rufe wie 'Jetzt ist er endlich hin!' und gröhlendes Gelächter der An­gerufenen ga­ben Beweis, wo die ehrenwerten Hintermänner der Mörderbande zu suchen sind.In Braunau herrscht volle Ruhe. Die Erregung der vaterländisch gesinnten Bevölkerung ist un­geheuer über die Kundgebung der Freude über den Tod des Kanzlers von seiten der Natio­nal­sozialisten, wie dies z.B. im Weinhaus Hierner geschah[124], welches jetzt behördlich gesperrt und dessen Besitzer jetzt auf vier Wochen in den Arrest nach Ried gebracht wurde. In der Nacht wurden größere Truppen von Legionären am Brückenkopf in Simbach sichtbar. Im gan­zen Bezirk Braunau herrscht Ruhe."[125]

Zum Gedenken an den getöteten Bundeskanzler Dollfuß wurde am 27. Juni 1935 eine Tafel enthüllt, deren Aufschrift lautete: "Zum Gedenken an den großen Österreicher und Helden­kanzler Dr. Engelbert Dollfuß, der am 4. November 1918 in dieser Kaserne als Oberleutnant i.R. des Kaiserschützen-Rgm. Nr. 2 abrüstete und aus dem aktiven Militärdienste schied. Er wurde am 25. Juli 1934 in Wien meuchlings ermordet. Dr. Dollfuß ist tot, sein Geist wird fortleben im Herzen jedes Österreichers. Die Vaterl. Front Braunau 1935".[126] Die Tafel wurde an der Westfront der Salzburger-Tor-Kaserne angebracht; bei der feierlichen Enthüllung waren Staatssekretär Hammerstein, Bürgermeister Rehden, der Gauleiter der Va­terländischen Front, Baron Handel, der Gauleiter des Heimatschutzes, Dr. Gruber, sowie Oberstleutnant Gebauer als Bataillons- und Standortkommandant von Braunau zugegen.

In Anbetracht der Spannungen, die zwischen dem Deutschen Reich und Österreich bestanden, hatte es die Regierung für notwendig erachtet, zur Verstärkung der Braunauer Garnison, die aus einem Bataillon des Alpenjägerregimentes Nr. 8[127] bestand, Truppen a ndie Grenze zu sen­den; per Eisenbahn wurden ein Bataillon des Infanterieregimentes Nr. 3 (Wien), eine Schwa­dron des Dragonerregiments Nr. 2(Enns) und eine Batterie der Brigade-Artillerie-Abteilung Nr. 4 (Linz) nach Braunau verlegt, was an den Bahnhof große Anforderungen stellte. Nach zwölfwöchigem Aufenthalt wurden die Verstärkungen wieder abgezogen.[128]


Eine Folge der schlechten Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Österreich war die Einführung der Tausend-Mark-Sperre. Mit Wirkung vom 1. Juni 1933 wurde nach Verordnung des deutschen Reichsinnenministeri­ums zur Ausreise von deutschen Staatsbürgern nach Österreich ein Ausreisesichtvermerk notwendig, für den die Gebühr von 1000 Mark zu zahlen war. Ausnahmen waren nur für den ordnungs­gemäßen Geschäftsverkehr und für den "Kleinen Grenzverkehr" vorgesehen, für Ausflügler je­doch nicht. Es kam durch diese Maßnahme zu einem Rückgang des Reiseverkehrs von Deutschland nach Österreich, der aber hauptsächlich die Fremdenverkehrsgebiete traf. Da der Tourismus in Braunau keine große Rolle spielte, waren die wirtschaftlichen Auswirkungen auf unsere Stadt nicht besonders groß; der Grenzübertritt wurde jedoch außerordentlich erschwert, was für manche Braunauer, die Besitz in Bayern hatten, Nachteile mit sich brachte. Auch die Stadtgemeinde, die Wald jenseits des Inn besaß, musste Einbußen hinnehmen. Die wirtschaftlichen Kampfmaßnahmen wurden erst nach dem Schuschnigg-Hitler-Abkommen vom 11. Juli 1936 gemildert; so wurde der "Kleine Grenzverkehr" innerhalb einer 10-km-Zone völlig freigegeben. Die Tausend-Mark-Sperre wurde schrittweise gelockert, bis sie am 20. August gänzlich aufgehoben wurde. An ihre Stelle trat die Devisenbewirtschaftung im Deutschen Reich - jedem Antragsteller wurden für Auslandsreisen 500 Mark pro Monat bewilligt.


Schon vor dem Einmarsch deutscher Truppen in Braunau kam es am 11. März 1938 zu einer Machtdemonstration illegaler Nationalsozialisten: sie rissen die am Rückgebäude des Rathauses gehisste Fahne der Vaterländischen Front herunter und verbrannten sie unter Absingen des Horst-Wessel-Liedesvor dem Rathaus.[129] Eine der ersten Handlungen beim Einmarsch der deutschen Truppen, der in den frühen Morgenstunden des 12. März 1938 über die Braunauer Innbrücke begann, war das Niederreißen der Grenzbalken, die in der nächsten Zeit ihren Sinn verloren hatten. Hitler selbst kam am frühen Nachmittag nach Braunau, passierte sein Geburtshaus und fuhr ohne Aufenthalt in Braunau nach Linz weiter.

Am 18. März 1938 wurden der Kaufmann Georg Hofmann zum Bürgermeister, der Sägewerksbesitzer Johann Hackl und der Goldschmied Rudolf Gscheidlinger zu seinen Stellvertretern ernannt.[130] Hofmann verlieh am 30. März 1938 Adolf Hitler das Heimatrecht der Stadt Braunau;[131] eine Ehrenbürgerernennung Hitlers [132] ist in den vorhandenen Akten nicht nachgewiesen.

Bei der Abstimmung über den "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich am 10. April 1938 lauteten in der Stadt Braunau (ohne Einrechnung der Garnison) von 3336 abgegebenen Stimmen 3331 = 99,85 % auf "Ja", nur 5 auf "Nein",[133], [134], [135] alle 527 Stimmen der Garnison lauteten auf "Ja"[136]


Braunauer Wahlergebnisse 1919 - 1931 im Vergleich

Beim Vergleich von Wahlergebnissen sind unterschiedliche Bedingungen zu berücksichtigen(Änderung des Kreises der Wahlberechtigten, soziologische Veränderungen etc.), dennoch doch ein Vergleich unter der Fragestellung, ob Braunau ein ganz besonders "braunes" Pflaster gewesen sei, berechtigt. Eine Differenzierung nach Gemeinde-, Landes- und Bundeswahlen ist nicht nur der Übersichtlichkeit wegen erforderlich.

Kontinuitäten - Brüche

Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten bedeutete für die Bevölkerung zweifellos einen bedeutenden Einschnitt in die Lebensgestaltung; nicht nur privat, sondern auch beruflich ergaben sich oft Konsequenzen, die vorerst vielleicht nicht absehbar waren oderauch nicht gesehen werden wollten. Schlagworte wie "Arisierung","Raubkunst" und "Rückstellung" sind heute wohl allen bekannt. Es ist unbestreitbar, dass die Punzierung als Gegner des Nationalsozialismus Karrieren ebenso beeinflusste wie das Bekenntnis zu Partei und NS-Ideologie. Dass auch nach 1945 - trotz "Entnazifizierung", die ja als Vorgang, nicht als einmaliger Akt verstanden werden sollte[155] - manches Bestand hatte und manche Personen nach einer Lebensphase, die oft als Zeit einer unberechtigten Ächtung empfunden wurde, wieder zu Amt und Ehren gelangten, ist ebenso unbestreitbar.

Interessant ist ein Blickauf das Schulwesen und das Lehrpersonal; erstaunlich etwa die Flexibilität eines Lehrers, der am 30. April 1934 bei einer "Verfassungsfeier" die Festrede über die Bedeutung der ständestaatlichen Verfassung Österreichs hielt[156], in einem Lehrerhandbuch von 1940/41 als Hilfsstellenleiter des NS-Lehrerbundes und stellvertretender Kreisleiter der NSV[157] aufscheint, aber im Braunau der Nachkriegszeit Ehrenringträger der Stadt und "Namenspatron" für einen Weg[158] wurde. Das genannte Lehrerhandbuch von 1940/41 hält nicht nur die Namen der Lehrpersonen im Gau Oberdonau, sondern auch jede einzelne "Amtswaltung" in einer der Gliederungen der NSDAP fest; es liest sich fast wie ein "who is who" von Lehrerinnen und Lehrern, die Schülergenerationen der Nachkriegszeit prägten; manche Nachkriegskarriere beweist allerdings, dass die Ausübung einer "Amtswaltung" 1940/41, die mindestens auf "Mitläufertum" schließen lassen dürfte, später auf längere Sicht wohl nicht geschadet hat.

Einen zweifellos bedeutenden Volkskundler und angesehenen Arzt, aber eben auch als "Gauheimatpfleger des Gaues Oberdonau" der einst in Amt und Würden, zeichnete die StadtBraunau schon 1951 mit der Ehrenbürgerwürde aus; auch er wurde als "Namensgeber" ausersehen.[159]

Der bedeutende Maler Aloys Wach, der 1933 aus Braunau wegziehen wollte, weil Hitler nicht Ehrenbürger wurde, erfüllte seine Drohung nicht - er starb 1940 in Braunau; dass auch nach ihm eine Straße benannt wurde [160], hängt vielleicht damit zusammen, dass sein Brief von 1933 nicht bekannt war.

Es ist kein Geheimnis, dass auch in den nach 1945 neu gegründeten Parteien auf allen Ebenen eine NS-Vergangenheit mitunter nicht gerade karrierehemmend wirkte. Vor allem die Nationalratswahl 1949, bei der etwa 487.000 "Minderbelastete" erstmalswahl berechtigt waren, ist auch durch das Werben um die Stimmen der "Ehemaligen"i n Konkurrenz zum neu entstandenen "Verband der Unabhängigen", der als "Wahlpartei der Unabhängigen" kandidierte, gekennzeichnet. Die Integration eines derart großen Anteils der Bevölkerung musste einerseits ein Anliegen der demokratischen Kräfte sein, andererseits ging es natürlich auch um Machterhalt und Machtverlust. [161] Man kann aber davon ausgehen, dass die Mehrheit der ehemaligen Parteigänger mit der Niederlage des Nationalsozialismus bekehrt war: "DerNationalsozialismus hatte mit dem Ende des Krieges bei seinen ehemaligen Anhängern in Österreich weitgehend abgewirtschaftet." [162] Wie weit die Stimmen für die "vierte Partei" bei der Nationalratsahl 1949 - 498.273 - tatsächlich aus der Gruppe der "Minderbelasteten" kamen, ist umstritten.[163]

Einzelnachweise

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