Kriegsende
Anton Platt: So erlebte ich die Übergabe der Stadt Braunau
@font-face { font-family: "Times New Roman";}p.MsoNormal, li.MsoNormal, div.MsoNormal { margin: 0cm 0cm 0.0001pt; font-size: 12pt; font-family: "Times New Roman"; }p.MsoFooter, li.MsoFooter, div.MsoFooter { margin: 0cm 0cm 0.0001pt; font-size: 12pt; font-family: "Times New Roman"; }table.MsoNormalTable { font-size: 10pt; font-family: "Times New Roman"; }div.Section1 { page: Section1; }April 1945 war ich in die Garnison Braunau zurückgekehrt. Hinter mir lag ein Einsatz desBraunauer Jäger-Ersatzbataillons II/482 am Südostwall/Raum Oberpullendorf, mitsehr tragischem Ende: Ostern 1945 hatten dort, im Chaos des Rückzuges vor den Russen, Führungstechnisches Unvermögenund mangelnde Zivilcourage, ca. 200 Innviertler Rekruten im Knabenalter, demsicheren Ende überantwortet. Von diesem Erlebnis zutiefst erschüttert wollteich mich hier in Braunau, angesichts der nahenden US-Front, wenn möglichnützlich einbringen und vielleicht auch Unheil verhüten helfen. Deshalb bat ichden Bataillons-Adjutanten Lt.Baier um eine entsprechende, möglichst selbständigeFunktion, abseits des Truppendienstes und Vormerk meiner profunden englischenSprachkenntnisse. (Für den Fall des Falles...“) Als Funktion wurde die ziemlich nutzlose„Inspektion der Panzersperren im Kreise Braunau“ bestimmt, die das einzigPositive hatte, dass ich durch diese Tätigkeit zu Planungs- und Koordinations-Besprechungenzwischen Partei- und Wehrmacht beordert wurde. Beim Thema: „MilitärischeSicherung des Postamtes“ sah ich eine Chance zu handeln. Ich bot mich gleichselbst für diese Aufgabe an und wurde auch damit betraut.
Die Damen derTelephon-Zentrale, denen die Aufrechterhaltung der Verbindungen oblag, bat ichBettzeug in die Post mitzubringen, damit ein 24 Stunden-Dienst eingerichtetwerden konnte. Sie haben tapfer in dieser ungewöhnlichen Situation ausgeharrtund den wichtigen Betrieb voll aufrecht erhalten. Dieser sehr wesentlicheBeitrag der Damen an der Rettung der Stadt, verdient gebührend hervorgehoben zuwerden! Wie mag ihnen zu Mute gewesen sein, wie haben sie gebangt, wenn sie dieWeisungen von Gauleiter Eigruber zur Brückensprengung, oder gar den Befehl Braunau unter allen Umständen zuhalten, mithörten?
Von demdramatischen Ringen um die Durchsetzung des Bürgerwunsches zur Übergabe derStadt, bekam ich im Postamt nur fragmentarisch mit, was bei der Leitungserstellunganfiel. Als mich der Befehl, sofort zur Brücke zu eilen - „es sei keine Minute zu verlieren“- erreichte, war mir noch nichtgesagt worden, was ich dort tun sollte. Am Ufer atemlos angekommen gab es keineSekunde zum Überlegen. Hauptmann Danzinger bedeutete mir unverzüglich zu ihm indie, sonst nur von Zivilisten besetzte Zille, zu steigen und schon legte derBootsführer in Richtung Simbach ab. Im Strom sah ich eine Zille die vor unsabgelegt hatte, gegen den sehr rasch fließenden Fluss ankämpfend, Richtung aufSimbach halten. Während der Überfahrt erfuhr ich, dass die Besatzungen der zweiZillen, Braunau kampflos den US-Truppen übergeben würden: Maj. Grünwaldt, derStadtkommandant, habe Hptm. Danzinger zum militärischen Parlamentär bestimmt,zu diesem Schritt ermächtigt und ich solle dolmetschen. Alle an Bord - außermir - waren schon ordnungsgemäßmit einem Stück weißem Tuche versehen. Mir musste ein Stück Gaze aus demVerbandspäckchen um den Oberarm gelegt genügen, es ist aber an Land prompt verlorengegangen.
Am SimbacherUfer, landeten wir etwas links von der Brückenauffahrt und unser kleinerTrupp vereinigte sich, stadtwärtsgehend, mit der Besatzung der anderen Zille. Voran Hptm. Danzinger mit einem Zivilistenund ich. Aus einer Äußerung Danzingers entnahm ich, dass ihm im Augenblickebenso mulmig war wie mir. Die Straße nach Simbach schien menschenleer. Dochnach einigen Schritten zeigte sich uns der erste US-Soldat, der hinter einemBaum in Deckung gestanden hatte. Er hieß uns unmissverständlich stehen zu bleiben und fragte mit angelegterWaffe wohin wir wollten. Hptm. Danzinger salutierte, verwies auf seine weißeBinde und erklärte: „ Wir sind Parlamentäre! Wir sind gekommen um die StadtBraunau an Eueren General zu übergeben! Wo finden wir ihn?“ Ich übersetzte. DerSoldat, jetzt offensichtlich sehr entspannt und von unseren friedlichen Absichtenüberzeugt, stellte sein Gewehr bei Fuß und wies mit der Hand lässig winkend, inRichtung der Stadt: “Immer nur gerade aus!“„Schon recht, aber wo finden wirdort den General?“ fragte ich dringlich nach, denn wir wollten keine wertvolleZeit mit der Suche verlieren! Da trat der Posten ein paar Schritte näher undantwortete mit einer Gegenfrage im besten US-Army Jargon: “Schon ´mal einenGeneral in vorderster Linie gesehen, Buddy?“
Diese somenschliche Reaktion bei der ersten Begegnung mit dem US-Militär, lockerte dielatente psychische Spannung unserer Gruppe auf. Wir gingen jetzt mit Zuversichtweiter, überzeugt vom guten Gelingen unserer Mission! Irgendwie, ich weiß heutenicht mehr Bescheid wie, hatte ich in Erfahrung gebracht, der General habeseinen Gefechtsstand in der mir bekannten Apotheke in der Innstraße bezogen.Dorthin zogen wir und wurden seit der ersten Begegnung nicht mehr aufgehaltenoder nach Waffen durchsucht. Wie es geschehen konnte weiß ich bis heute nicht:Ich verlor plötzlich die Gruppe! Stand vor der mir bekannten Apotheke, ginghinein um kurz Erkundigungen einzuziehen. Der General sei im Schlafzimmer imersten Stock etabliert, wurde mir beschieden.
Um die Grupperasch einweisen zu können wollte ich mir Ortskenntnis verschaffen, gelangte imersten Stock durch einen Raum mit Soldaten, an dessen Ende ein einzelner Soldatin einem Nebenzimmer schreibend saß. Ihn wollte ich fragen: Es war der Generalpersönlich! Völlig verdattert stotterte ich herum, wusste vor Verlegenheitzunächst nicht wo und wie ich beginnen sollte: Wir seien gekommen um die StadtBraunau zu übergeben sagte ich. Die Anderen würden gleich auftauchen, ich seinur der Dolmetscher, habe keine militärische Vollmachten etc.! Der General,meiner Verlegenheit bewusst, nickte nur sehr gönnerhaft, hieß mich Platz nehmenund befahl mir ihm auf der vorgelegten Landkarte zu zeigen wie weit sich diedeutschen Truppen schon zurückgezogen hätten. Ich bedauerte damit ausUnkenntnis der aktuellen Lage nicht mit konkreten Angaben dienen zu können.Versicherte ihm aber, dass die Truppe schon weitgehendst in Auflösung sei undmeines Wissens ein Raum südlich Braunau bis zum Schießplatz im Lachforsttruppenfrei gehalten werde. Ich zeigte die Stelle auf der Karte. Mir war dabeinicht wohl zu Mute, konnte ich doch nichts Verbindliches zusagen. Doch die Ruheund menschliche Wärme die der General vermittelte, blieb nicht ohne Wirkung aufmich, den noch nicht 23Jährigen. Der General wechselte das Thema und erkundigte sich wo ich herkäme etc.Mitten in meine Erklärungen hinein kam endlich unsere Gruppe, angeführt voneinem US-Soldaten, der sich als der Dolmetscher der Panzereinheit entpuppte undfortan die Gespräche übersetzte. Die offizielle Übergabe konnte endlichvollzogen werden. Nach der Verabschiedung hörte ich noch halblaut des Generalsvorwurfsvolle Bemerkungen an den Stab, dass die militärischen Parlamentäre,ohne Eskorte und Augenbinde, bis zu ihm vordringen konnten.
Auf dem Wegezurück an den Inn, begleiteten unsere Gruppe einige US-Soldaten, darunter einsehr jovialer Oberleutnant der sich interessiert über meine Erfahrungen an derOstfront und über die Stimmung und Lebensbedingungen der Braunauer Bevölkerungerkundigte. Auch begann er über sich zu plaudern, als wären wir alteBekannte...!
Zurück in Braunau sagte Hptm. Danzinger ersuche jetzt den Gefechtstand von Major Grünwaldt auf, den er bei Burgkirchenvermute. Ich solle dorthin per Rad nachkommen. Zuvor möge ich den Soldaten am„Sammelpunkt/Schießstätte Lachforst“ die vollzogene Übergabe und dieBedingungen bekannt geben. Ich fuhr per Rad hin, fand einen gemischten Truppaus Einsatzmüden, Versehrten und pflichtbewusst Kampfesbereiten samt Offizierenvor. Ich berichtete und wurde sofort wegen der Teilnahme an der Übergabe als„Wehrkraft-Zersetzer“ mehrfach hart bedroht. Verstärkungen seien im Anmarsch umBraunau zurück zu erobern. Laut Befehl dürfe niemand den Sammelpunkt verlassen.Alle Hinweise darauf, dass dies gegen Kriegsrecht verstoße, also ein tödlichesRisiko darstelle, wurden in den Wind geschlagen. Ich zog vor keinen Helden zuspielen und abzuwarten. An der Straßengabelung „Neue Heimat - Ranshofen“ mussteich dann leider noch Zeuge des unseligen, abendlichen Angriffs auf Braunauwerden. Da ich mich auch tags darauf in Braunau nicht sicher fühlte, radelteich nach St. Johann am Walde, wo ich vorübergehend Zuflucht fand. Nach kurzerZeit endete dann im Reservelazarett Mauerkirchen endgültig auch diese Episodemeiner Militärzeit.